2015
Ein Soziales Bauprojekt
Die Nähmanufaktur kommt ins Rollen
Die Geschichte
Das Erlernen des Nähens an der Nähmaschine, aber auch das Stricken lernen, waren und sind Herausforderungen, die- wenn sie gelingen, zu echten Erlebnissen werden können: Ich kann etwas, ich kann noch mehr lernen, ich kann gestalten- und es gibt Menschen, denen ich das auch schenken oder gar verkaufen kann, weil es gefällt, was ich gemacht habe- dazu braucht es keine Erklärungen, das sind Erlebnisse, die Angehörige eines an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Volkes selten haben. All die, die sich in der Manufaktur mit uns auf den Weg gemacht haben, Nähte gerade zu nähen, Fäden zu vernähen statt zu verknoten, Fersen am Strumpf exakt zu stricken, oder einfach auszuhalten, dass schon wieder die Nadel an der Maschine abgebrochen ist, haben diesen Weg hinter sich oder die Geduld für weitere derartige Wege erworben.
Das ganze Manufaktur-Geschehen findet statt in Gruppen, und das sind keine „Bestfriend-Teams“, sondern Teams, die sich über das Interesse an der Arbeit und an der Möglichkeit, daneben auch ein wenig für den kargen Lebensunterhalt zu verdienen, gefunden haben und immer auch mal wieder neu sortieren. Im Moment sind es nur Frauen, die da zusammen arbeiten. Und ganz unterschiedliche, die sich im Leben außerhalb von Amaro Kher durchaus nicht besonders nahe stehen. Konflikte gibt es nicht wenige, auch in der Manufaktur, aber es ist ganz klar, dass es irgendwie gelingen muss, mit ihnen konstruktiv umzugehen, sonst wird man nicht miteinander weiter arbeiten können. Und dazu kommt als weiteres, dass alle, die in der Manufaktur arbeiten können, auch in irgendeiner Weise am Haus mithelfen, und wenn es nur das gelegentliche Saubermachen im Garten oder Ähnliches ist. Mit der Manufaktur werden die Beteiligten Teil des Ganzen.
Im Sommer 2015 konnte es losgehen mit der Manufaktur Arbeit. Die unteren Räume waren zumindest so weit, dass man Nähmaschinen aufstellen und daran arbeiten konnte. Es begann eine Gruppe von Frauen mit gebrauchten Stoffen . Dieser Start war richtig schwierig. Wir hatten ausschließlich gebrauchte und ausrangierte Nähmaschinen, die wir aus Deutschland mitgebracht hatten. Und Vieles funktionierte einfach gar nicht, sodass die Hauptarbeitszeit erstmal in die Handhabung und Reparatur der Maschinen ging. Irgendwann- auch nachdem wir einen „Meister“ im Reparieren unter den Roma gefunden hatten, konnte es langsam losgehen mit dem eigentlichen Nähen. Und das war gut so, denn wir hatten einen großen ersten Auftrag: 500 Lavendelsäckchen ! Mit geraden Nähten, sauber und korrekt befüllt. Neben dieser Herausforderung waren auch die ersten Recycling-Taschen Thema. Auch hier gab es einen Auftrag, hier von dem Reisebuchladen in Karlsruhe.
Und das alles in einem Raum, der noch einen Estrich-Boden hatte! Was runter fiel, war fast unbrauchbar, da völlig verdreckt. Und trotzdem: es funktionierte: es wurde improvisiert, immer wieder korrigiert und gelernt, wie es besser gehen kann…und wir haben Einiges geschafft! Die erste Nähgruppe arbeitet inzwischen relativ selbstständig, sodass inzwischen eine zweite eingearbeitet werden und die Teams inzwischen auch vermischt werden konnten.
Mit unserer engagierten FSJlerin Greti gemeinsam wagten wir uns dann an das Stricken heran. Für Hände, die tagtäglich mit Dreck konfrontiert sind, die putzen müssen und die wenig Feinmotorik gewöhnt sind, eine noch schwierigere Herausforderung. Ganz langsam wagten wir uns über Kissen mit 2 Riesennadeln, Stulpen mit 5 immer noch dicken Nadeln hin zu den ersten Strümpfen mit 5 dünneren Nadeln. Wer das geschafft hatte, hatte wirklich etwas geschafft, und das waren fast alle, die heute Strümpfe und anderes stricken, die wir in Deutschland verkaufen.